Schweizer Aphoristiker

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Zur weltweit unterschätzten Population der Kurz- und Querdenker zählen wir alle, die sich nicht bloss zufällig prägnant und schmalsilbig ausdrücken, sondern aus innerer Not und kulinarischem Zwang. Wer sich der Kunst des abgemessenen Denkens verschreibt, unterzeichnet quasi sein bibliographisches Todesurteil - er kann sich den Erfolg auf die Türschwelle schreiben.

Uns jedoch gefällt das literarische Netto - jene Kleinsüchtigkeit, die wir bei den arrivierten Autoren schlechthin vermissen: es fehlt uns die Gabe der Grossartigkeit, das Feeling des Fortsetzungskünstlers, der Run auf ellenlange Bedeutungen, das hochsensible Hintergrund- & Vordergrundwissen - kurzum: es fehlt uns das Talent, seitenlang gar nichts zu sagen. Wir halten gar nichts vom best of today-Effekt.

Die Herstellung und Verbreitung von Aphorismen ist weder lukrativ noch irgendwie spannend - das Erfinden von Sätzen ist ein Verlustgeschäft mit ein paar psychodelischen Extras. Intensivgedanken verkaufen sich schlecht. Bücher mit Aphorismen müssen sich damit abfinden, dass man sie mental abqualifiziert und geistig überhaupt nicht verkraftet. Während das Langatmige die Journale füllt und der Hochglanz ganze Bibliotheken, ist der Kleindenker ins atmosphärische Nirwana versetzt: da helfen weder Parfüm noch Schminke.

Ein paar umtriebige Leute vertun sich die Zeit, sogenannte «Zitate» unters Volk zu bringen: für Geld und in vorzüglicher Laune. Wir Autoren verhalten uns in dieser Hinsicht auffallend passiv. Auf Hochzeiten zu brillieren und Festrednern den Kragen zu stärken: das ist kein Metier für notfallmässig denkende Menschen. Niemand kann uns zwingen, ins rhetorische Nichts abzudriften - der Trend des Maulöffnens und Maulschliessens, der leider schon wieder grassiert, weckt ohnehin böse Erinnerungen: wir wissen nur zu genau, wie sich völkische Highlights auswirken und wie sich das in den Geschichtsbüchern ausdrückt.

Kurz: wir ziehen es vor, auf unserer fatalistischen Kleininsel zu leben, jeder von uns vollkommen allein und ganz nur für sich. Denn wir Kleindenker haben etwas, was diesen anderen fehlt: wir haben jederzeit und immer Zugang zum wertvollsten aller unwichtigen Dinge - zu uns selber.